1884-05-07
Afsender
J. C. Jacobsen
Modtager
G. Sedelmayr
Dokumentindhold
Fotokopi af et omfattende brev til Gabriel Sedelmayr om J. C. Jacobsens erfaringer med gær. Det originale brev er formodentlig i Spatens Arkiv i München.
Transskription
Alt Carlsberg, 7te Mai 1884
Herrn Gabriel Sedlmayr
Zum Spaten.
Lieber Freund
Als mein alter (d.h. als Brauer) Lehrmeister sollen Sie der erste seyn, dem ich als Ihr Schüler meine neuesten Erfahrungen über die Ausartung der Hefe bringe.Wie Sie wissen, holte ich selbst in 1845 die erste Unterhefe nach Dänemark aus Ihrer Brauerei und habe diese Hefe seither, ohne dieselbe jemals zu wechseln, in meiner Brauerei fortgepflanzt und immer mit den besten Resultaten, indem meine Biere, sowohl das Lagerbier für das Inland, wie das Exportbier für Indien, für seine vorzügliche Haltbarkeit bekannt ist. Nur in den zwei letzten Jahren habe ich in dieser Beziehung eine nach und nach deutlichere Änderung bemerkt, und durch eine genaue Untersuchung der Hefe im Carlsberg Laboratorium hat der Verdacht sich bestätigt, dass meine Hefe jetz durch "wilde Zellen" verunreinigt war. Woher kommt es, dass diese Hefe sich von 1845 bis 1882 gut er-halten hat und jetzt ausartet? Die Reinlichkeit in meinen Kellern ist jedenfalls nicht geringer worden, sondern vielmehr verbessert, nachdem ich in den letzten Jahren durch Hilfe der Eismaschinen die Luft in den Gährkellern nicht allein so kraftig abkühle, dals ich keine Eisschwimmer brauche, sondern auch die Luft durch einen kräftigen Regenbad von eiskaltem Salzwasser so vollständig reinige, dass die Luft-analysen keine Spur von Organismen darin finden kann. Mein Malz, aus der besten Gerste gemacht, lässt auch nichts zu wünschen übrig. Nur in einer Beziehung ist in den letzten zwei Jahren eine Änderung geschehen. Bis vor zehn Jahren braute ich auf alter bayerischer Weise nur in 7 bis 8 Monaten und später bis 1882 nur in höchstens 9 Monaten von Anfang Oktober bis Ende Juni.
In den letzten zwei Jahren wurde ich aber genötigt, das ganze Jahr, alle 12 Monate zu sieden, weil die Anlage der neuen Lagerkeller nicht zeitig genug fertig wurden, um mit der unerwartet raschen Steigerung der Abnahme meines Bieres Schritt zu halten.Nun zeigen die zahlreichen und sorgfältigen Luftanalysen von Dr. Hansen nach Pasteurs Methoden, dass die Luft in der ganzen Umgebung von Carlsberg, selbst in grosser Ent-fernung in Gärten und auf den Feldern, eben in den 3 Sommermonaten Juli, Augst und September, zur Zeit der Reife: der Früchte, besonders Kirschen, Pflaumen, Birnen und Trauben, sehr stark von allerlei Fermenten, theils Bacterien, theils Gährungspilzen vie Saccharomyces Pastorianus u.A. infiziert ist, und der Umstand, dass die Verunreinigung der Hefe mit dem Sieden in den genannten 3 Monaten zusammentraf, lies errathen, dass die mit Fermenten schwangre Luft die Würze auf den Kühlschiffen infiziert hatte, und dass diese wilde Gährrzellen, besonders S. pastorianus, sich fortgesetzt in der Hefe vermehrt hatten. Dieses veranlasste die sorgfältige Untersuchung der Hefe, und es gelang Herrn Hansen durch eine sehr sinnreiche Methode die Zellen so zu vertheilen, dass in einer grossen Zahl von Pasteur Kolben in jedem nur eine einzelne Zelle kam, welche dann sich vermehrte und in jedem Kolben eine kleine Kolonie von Zellen bildete. Aus diesen Kolonien wurden einzelne Zellen ge-nommen, und durch deutliche Merkmale verschiedene Arten gefunden. Ausser der reinen Saccharomyces cerevisia wurden in meiner Hefe zwei vilde Formen gefunden.Aus einer einzigen Zelle von jedem der 3 Formen wurden dann in Pasteurs Kolben neue Kolonien entwickelt, welche nach und nach vermehrt wurden, bis eine Gährung in 3 kleinen Bottichen eingeleitet werden konnte, welche Biere von ganz verschiedenem Geschmack und Beschaffenheit gaben.
Die Hefe aus dem reinen Saceharomyces cerevisia wurde danach als Stellhefe in der Brauerei eingeführt und gab eine sehr schöne Gährung mit hübscher Deeke, schneller Klärung in den Schaugläsern, eine angemessene Attenuation von 13½ % auf 6-7 % Balling und schnelles Klären in den Lager-fässern, und feinen Geschmack des Bieres. Jetzt wird die Gährung in meiner ganzen Brauerei mit dieser reinen Hefe, aus einer einzelnen Zelle geschaffen, künftig geführt! Wahrhaftig ein Triumph der wissenschaftlichen Forschung!Ich bin jetzt uberzeugt, dass die Hefe in allen Brauereien mehr oder weniger von vilden Hefearten infiziert ist, weil man jetzt fast überall in den gefährlichen Sommermonaten siedet, und das unendliche Hefewechseln deshalb nichts nützt. In vorigen Zeiten, da man gewöhnlich, besonders in Bayern, nicht in den Sommermonaten siedete, war das Hefewechseln in guten Brauereien ja auch eine seltene Ausnahme. Wenn man fortfahren wird, das ganze Jahr zu sieden, wird es nötig seyn, dass wenigstens einige Brauereien oder ersuchs-stationen wie Weihenstephan oder Dr. Aubry in München von Zeit zu Zeit Sacch. cerevisia ausscheiden, um reine Hefe zu schaffen. Hier in Kopenhagen haben schon ein Paar chemiker, die sich mit Brauerei-Analysen beschäftigen, das Verfahren des Dr. Hansens aufgenomnen, von welchem er in den "Mittheilungen des Carlsberg Laboratoriums" eine genaue Mittheilung geliefert hat.Ich bin erst jetzt im Stande, von der reinen Hefe Muster zu liefern, und Ich werde Ihnen Morgen eine Portion davon als Stellhefe fur einen Bottich als Eilgut senden, damit Sie sich demit bekanntmachen können. Wenn die Hefe, wie ich hoffe, in gutem Stande nach München kommt, zweifle ich nicht, dass Sie damit zufrieden seyn werden, und sollten Sie später mehr davon wünschen, wird es mir ein Vergnügen seyn, so viel ich entbehren kann zu senden. Ich habe bis jetzt
zwar keine Erfahrung in Versendung von Hefe auf längeren Reisen, aber solche Erfahrung werde ich wohl bald gewinnen.
Was den Gebrauch der gesandten Stellhefe betrifft, muss ich noch bemerken, dass dieselbe bei mir bei 5 R. angestellt wird, und dass die Temperatur während der Gährung des Bieres höchstens auf 6½ a 6 3/4 R. steigt, wonach die Temperatur allmählich bis auf 4 a 5 zurückgeht, und die Attenuation in den letzten Tagen nur 2/10 bis 1/10 % Balling beträgt, bis das Bier nach 10-11 Tagen zum Fassen reif ist bei einer Attenuation bis 6 a 7% Balling von einer Wurze von 13½ % B.
Da meine Würze verhaltnismissig mehr Maltose enthält als gewöhnlich in München, wird die Attenuation bel Ihnen wahrscheinlich nicht so tief herabgehen wie bei mir.
Im Anfang nächsten Monats, d. 3ten Juni, beabsichtige ich noch eine Rundreise an verschiedene Brauereien zu unternehmen, und ich gehe dann zuerst nach Hrn Götz in Oswiecim bei Krakau und von dort nach Wien und München, wo ich etwas nach Mitte Juni kommen wird. Von dort gehe ich weiter nach Westdeutschland und hoffentlich weiter nach Frankreich, besonders nach Lyon und Marseille, wo ich gern das neueste Verfahren Veltens sehen möchte, aber es ist ja zweifelhaft, ob meine Kräfte im Alter von 73 Jahren für eine so lange Reise ausreichen. Sollte ich Sie nicht in München treffen, hoffe ich einen Ausflug nach Ihrer Sommerwohnung machen zu konnen, um meinen Freund und Meister noch einmal zu begrüssen.
In der Hoffnung, Sie gesund und kräftig zu treffen, zeichne ich mit der tiefsten HochachtungIhr ganz ergebenster
J. C. Jacobsen
Herrn Gabriel Sedlmayr
Zum Spaten.
Lieber Freund
Als mein alter (d.h. als Brauer) Lehrmeister sollen Sie der erste seyn, dem ich als Ihr Schüler meine neuesten Erfahrungen über die Ausartung der Hefe bringe.Wie Sie wissen, holte ich selbst in 1845 die erste Unterhefe nach Dänemark aus Ihrer Brauerei und habe diese Hefe seither, ohne dieselbe jemals zu wechseln, in meiner Brauerei fortgepflanzt und immer mit den besten Resultaten, indem meine Biere, sowohl das Lagerbier für das Inland, wie das Exportbier für Indien, für seine vorzügliche Haltbarkeit bekannt ist. Nur in den zwei letzten Jahren habe ich in dieser Beziehung eine nach und nach deutlichere Änderung bemerkt, und durch eine genaue Untersuchung der Hefe im Carlsberg Laboratorium hat der Verdacht sich bestätigt, dass meine Hefe jetz durch "wilde Zellen" verunreinigt war. Woher kommt es, dass diese Hefe sich von 1845 bis 1882 gut er-halten hat und jetzt ausartet? Die Reinlichkeit in meinen Kellern ist jedenfalls nicht geringer worden, sondern vielmehr verbessert, nachdem ich in den letzten Jahren durch Hilfe der Eismaschinen die Luft in den Gährkellern nicht allein so kraftig abkühle, dals ich keine Eisschwimmer brauche, sondern auch die Luft durch einen kräftigen Regenbad von eiskaltem Salzwasser so vollständig reinige, dass die Luft-analysen keine Spur von Organismen darin finden kann. Mein Malz, aus der besten Gerste gemacht, lässt auch nichts zu wünschen übrig. Nur in einer Beziehung ist in den letzten zwei Jahren eine Änderung geschehen. Bis vor zehn Jahren braute ich auf alter bayerischer Weise nur in 7 bis 8 Monaten und später bis 1882 nur in höchstens 9 Monaten von Anfang Oktober bis Ende Juni.
In den letzten zwei Jahren wurde ich aber genötigt, das ganze Jahr, alle 12 Monate zu sieden, weil die Anlage der neuen Lagerkeller nicht zeitig genug fertig wurden, um mit der unerwartet raschen Steigerung der Abnahme meines Bieres Schritt zu halten.Nun zeigen die zahlreichen und sorgfältigen Luftanalysen von Dr. Hansen nach Pasteurs Methoden, dass die Luft in der ganzen Umgebung von Carlsberg, selbst in grosser Ent-fernung in Gärten und auf den Feldern, eben in den 3 Sommermonaten Juli, Augst und September, zur Zeit der Reife: der Früchte, besonders Kirschen, Pflaumen, Birnen und Trauben, sehr stark von allerlei Fermenten, theils Bacterien, theils Gährungspilzen vie Saccharomyces Pastorianus u.A. infiziert ist, und der Umstand, dass die Verunreinigung der Hefe mit dem Sieden in den genannten 3 Monaten zusammentraf, lies errathen, dass die mit Fermenten schwangre Luft die Würze auf den Kühlschiffen infiziert hatte, und dass diese wilde Gährrzellen, besonders S. pastorianus, sich fortgesetzt in der Hefe vermehrt hatten. Dieses veranlasste die sorgfältige Untersuchung der Hefe, und es gelang Herrn Hansen durch eine sehr sinnreiche Methode die Zellen so zu vertheilen, dass in einer grossen Zahl von Pasteur Kolben in jedem nur eine einzelne Zelle kam, welche dann sich vermehrte und in jedem Kolben eine kleine Kolonie von Zellen bildete. Aus diesen Kolonien wurden einzelne Zellen ge-nommen, und durch deutliche Merkmale verschiedene Arten gefunden. Ausser der reinen Saccharomyces cerevisia wurden in meiner Hefe zwei vilde Formen gefunden.Aus einer einzigen Zelle von jedem der 3 Formen wurden dann in Pasteurs Kolben neue Kolonien entwickelt, welche nach und nach vermehrt wurden, bis eine Gährung in 3 kleinen Bottichen eingeleitet werden konnte, welche Biere von ganz verschiedenem Geschmack und Beschaffenheit gaben.
Die Hefe aus dem reinen Saceharomyces cerevisia wurde danach als Stellhefe in der Brauerei eingeführt und gab eine sehr schöne Gährung mit hübscher Deeke, schneller Klärung in den Schaugläsern, eine angemessene Attenuation von 13½ % auf 6-7 % Balling und schnelles Klären in den Lager-fässern, und feinen Geschmack des Bieres. Jetzt wird die Gährung in meiner ganzen Brauerei mit dieser reinen Hefe, aus einer einzelnen Zelle geschaffen, künftig geführt! Wahrhaftig ein Triumph der wissenschaftlichen Forschung!Ich bin jetzt uberzeugt, dass die Hefe in allen Brauereien mehr oder weniger von vilden Hefearten infiziert ist, weil man jetzt fast überall in den gefährlichen Sommermonaten siedet, und das unendliche Hefewechseln deshalb nichts nützt. In vorigen Zeiten, da man gewöhnlich, besonders in Bayern, nicht in den Sommermonaten siedete, war das Hefewechseln in guten Brauereien ja auch eine seltene Ausnahme. Wenn man fortfahren wird, das ganze Jahr zu sieden, wird es nötig seyn, dass wenigstens einige Brauereien oder ersuchs-stationen wie Weihenstephan oder Dr. Aubry in München von Zeit zu Zeit Sacch. cerevisia ausscheiden, um reine Hefe zu schaffen. Hier in Kopenhagen haben schon ein Paar chemiker, die sich mit Brauerei-Analysen beschäftigen, das Verfahren des Dr. Hansens aufgenomnen, von welchem er in den "Mittheilungen des Carlsberg Laboratoriums" eine genaue Mittheilung geliefert hat.Ich bin erst jetzt im Stande, von der reinen Hefe Muster zu liefern, und Ich werde Ihnen Morgen eine Portion davon als Stellhefe fur einen Bottich als Eilgut senden, damit Sie sich demit bekanntmachen können. Wenn die Hefe, wie ich hoffe, in gutem Stande nach München kommt, zweifle ich nicht, dass Sie damit zufrieden seyn werden, und sollten Sie später mehr davon wünschen, wird es mir ein Vergnügen seyn, so viel ich entbehren kann zu senden. Ich habe bis jetzt
zwar keine Erfahrung in Versendung von Hefe auf längeren Reisen, aber solche Erfahrung werde ich wohl bald gewinnen.
Was den Gebrauch der gesandten Stellhefe betrifft, muss ich noch bemerken, dass dieselbe bei mir bei 5 R. angestellt wird, und dass die Temperatur während der Gährung des Bieres höchstens auf 6½ a 6 3/4 R. steigt, wonach die Temperatur allmählich bis auf 4 a 5 zurückgeht, und die Attenuation in den letzten Tagen nur 2/10 bis 1/10 % Balling beträgt, bis das Bier nach 10-11 Tagen zum Fassen reif ist bei einer Attenuation bis 6 a 7% Balling von einer Wurze von 13½ % B.
Da meine Würze verhaltnismissig mehr Maltose enthält als gewöhnlich in München, wird die Attenuation bel Ihnen wahrscheinlich nicht so tief herabgehen wie bei mir.
Im Anfang nächsten Monats, d. 3ten Juni, beabsichtige ich noch eine Rundreise an verschiedene Brauereien zu unternehmen, und ich gehe dann zuerst nach Hrn Götz in Oswiecim bei Krakau und von dort nach Wien und München, wo ich etwas nach Mitte Juni kommen wird. Von dort gehe ich weiter nach Westdeutschland und hoffentlich weiter nach Frankreich, besonders nach Lyon und Marseille, wo ich gern das neueste Verfahren Veltens sehen möchte, aber es ist ja zweifelhaft, ob meine Kräfte im Alter von 73 Jahren für eine so lange Reise ausreichen. Sollte ich Sie nicht in München treffen, hoffe ich einen Ausflug nach Ihrer Sommerwohnung machen zu konnen, um meinen Freund und Meister noch einmal zu begrüssen.
In der Hoffnung, Sie gesund und kräftig zu treffen, zeichne ich mit der tiefsten HochachtungIhr ganz ergebenster
J. C. Jacobsen